Offene Arbeit in der Krippe

Einleitung

Die Offene Arbeit hat sich seit den 1970er Jahren als innovatives pädagogisches Konzept in deutschen Kindertageseinrichtungen etabliert. Ursprünglich als Basisbewegung von engagierten Erzieher:innen initiiert, hat sie sich zu einem anerkannten Ansatz entwickelt, der auf Partizipation, Selbstbestimmung und individualisierte Bildungsprozesse setzt. Besonders in der Arbeit mit Kleinstkindern in der Kinderkrippe stellt die Offene Arbeit spezifische Anforderungen, bietet jedoch auch vielfältige Chancen für eine entwicklungsfördernde Pädagogik.

Theoretische Grundlagen

Die Offene Arbeit basiert auf einem humanistischen Menschenbild, das Kinder als aktive Gestalter ihrer Entwicklung betrachtet. Inspiriert von Reformpädagog:innen wie Maria Montessori, Janusz Korczak und Jean Piaget, betont dieser Ansatz die Bedeutung von Selbsttätigkeit, Eigenverantwortung und sozialem Lernen. Die Rolle der pädagogischen Fachkraft wandelt sich dabei von der anleitenden Instanz zur begleitenden und unterstützenden Person, die den Kindern eine vorbereitete Umgebung bietet und ihre Selbstbildungsprozesse fördert.

Gerd E. Schäfer hebt hervor, dass Kinder in offenen Settings durch „freischwebende Aufmerksamkeit“ der Erzieher:innen in ihrer individuellen Entwicklung unterstützt werden. Diese Haltung ermöglicht es, die Signale und Bedürfnisse der Kinder wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren.

Umsetzung in der Kinderkrippe

Die Anwendung der Offenen Arbeit in der Kinderkrippe erfordert eine sorgfältige Anpassung an die Bedürfnisse von Kindern unter drei Jahren. Zentrale Elemente sind:



  • Funktionsräume: Statt fester Gruppenräume werden Bereiche geschaffen, die spezifische Aktivitäten ermöglichen, wie z.B. Bewegungsräume, Kreativbereiche oder Ruhezonen.
  • Partizipation: Auch Kleinstkinder werden in Entscheidungsprozesse einbezogen, indem ihnen Wahlmöglichkeiten angeboten und ihre Interessen ernst genommen werden. 
  • Bezugspersonensystem: Trotz der offenen Struktur ist es wichtig, stabile Beziehungen zu gewährleisten. Ein System von festen Bezugspersonen bietet den Kindern Sicherheit und Orientierung.
  • Tagesstruktur: Ein klar strukturierter Tagesablauf mit wiederkehrenden Ritualen gibt den Kindern Halt und unterstützt ihre Orientierung im Alltag.

Best-Practice-Beispiele

In verschiedenen Einrichtungen wurden erfolgreiche Modelle der Offenen Arbeit in der Kinderkrippe umgesetzt:



  • Modellprojekt Sachsen: In einer Broschüre des Kita-Bildungsservers Sachsen berichten pädagogische Fachkräfte von der erfolgreichen Implementierung offener Strukturen, die eine bedürfnisorientierte und am Kind zentrierte Pädagogik ermöglichen.  
  • Praxiserprobte Merkmale: Eine Zusammenstellung bewährter Merkmale offener Arbeit bietet Leitlinien für die Umsetzung, wie z.B. die Bedeutung von Raumgestaltung, Teamarbeit und kontinuierlicher Reflexion.  

Wissenschaftliche Perspektive

Die Offene Arbeit wird zunehmend wissenschaftlich untersucht und anerkannt. Die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK) zeigt, dass offene Konzepte positive Effekte auf die pädagogische Qualität haben, insbesondere in Bezug auf die Interaktion zwischen Fachkraft und Kind sowie die Förderung von Selbstständigkeit und sozialen Kompetenzen. 



Kritisch wird jedoch angemerkt, dass die Umsetzung der Offenen Arbeit hohe Anforderungen an die Fachkräfte stellt, insbesondere hinsichtlich ihrer Haltung, Flexibilität und Beobachtungskompetenz. Eine kontinuierliche Weiterbildung und Reflexion im Team sind daher unerlässlich.



Literaturhinweise zur Vertiefung

  • Becker-Stoll, F., & Textor, M. R. (2012). Teamentwicklung in Kindertageseinrichtungen. Cornelsen Scriptor.
  • Müller, H. (2018). Teamentwicklung in Kitas. Systemisch gedacht – praktisch gestaltet. Herder.
  • Schäfer, G. E. (2005). Bildung beginnt mit der Geburt: Grundlagen frühkindlicher Bildungsprozesse. Herder.
  • Regel, G. (2010). Offene Arbeit in der Kita: Grundlagen und Praxis. Herder.
  • NUBBEK-Studie: Tietze, W., Roßbach, H.-G., & Grenner, T. (2013). Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK). Beltz Juventa.







Dieser Fachartikel bietet einen Überblick über die theoretischen Grundlagen und praxisorientierte Umsetzung der Offenen Arbeit in der Kinderkrippe. Für eine vertiefende Auseinandersetzung empfiehlt sich die genannte Literatur.